Widerstand gegen den Nationalsozialismus hatte viele Facetten. Gewürdigt wird in Deutschland vornehmlich der männliche und militärische Widerstand. Am Beispiel der Antifaschistin Klara Schabrod geb. Matthies geht Mareen Heying auf die Rolle von Frauen im deutschen Widerstand ein und erinnert an ihre mutigen Taten.
„Wir haben nur getan, was menschlich war“ oder „gegen das Unrecht musste ich doch aktiv werden“, äußerten sich nicht wenige Frauen, als Florence Hervé in den 1970er-Jahren begann, in Düsseldorf den Spuren von Widerstandskämpferinnen nachzuspüren. Ihr wichtiges antifaschistisches Handeln gegen den Nationalsozialismus haben viele Frauen als selbstverständlich begriffen; sie haben sich selbst nicht ins Rampenlicht der Erinnerungskultur gestellt. Daher ist Feministinnen wie Florence Hervé zu danken, die Frauen-Widerstand durch Gespräche mit zahlreichen Zeitzeug:innen sichtbar machten und öffentlich würdigen.
Angeregt wurde Hervé auch durch die Kommunistin Klara Schabrod (1903–1999), die selbst aktiv im Widerstand war. Die Antifaschistin sprach nach 1945 über den Nationalsozialismus, um aufzuklären und damit sich „die schwärzeste Zeit deutscher Geschichte“ (1) nicht wiederhole. Schabrod würdigte dabei immer wieder andere Frauen, die wie sie selbst im Widerstand waren. Vor allem an durch die Nazis ermordete Frauen erinnerte sie und sorgte dafür, dass ihre Namen und Taten nicht in Vergessenheit gerieten.
Biographische Skizze von Klara Schabrod
Klara Schabrod wurde als Klara Karoline Wilhelmine Emilie Matthies am 18. Januar 1903 in Hannover geboren. Ihre Mutter war gelernte Schneiderin, der Vater Briefträger. Nach der Bürgerschule begann Klara Matthies mit 15 Jahren, als Dienstmädchen zu arbeiten, später als Lehrkraft für Nadelarbeit.
1927 zog sie nach Düsseldorf; dort lebte bereits ihr Bruder Otto Matthies. Er war in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), und auch seine Schwester trat der Partei bei. Sie war im Literaturvertrieb der KPD in Düsseldorf beschäftigt, übernahm die Frauenarbeit der Partei im Bezirk Niederrhein und trat als Rednerin bei KPD-Versammlungen auf. Von Beginn an positionierte sich Klara Matthies gegen den Nationalsozialismus. Der Hauptgrund für ihren antifaschistischen Widerstand bestand in dem Versuch, einen Zweiten Weltkrieg zu verhindern.
Seit dem 1. Januar 1933 war sie mit dem Politiker und kommunistischen Widerstandskämpfer Karl Schabrod (1900–1981) verlobt. Er war von Juli 1934 bis Mai 1945 aus politischen Gründen „lebenslänglich“ im Zuchthaus Münster inhaftiert. Nach der Befreiung heirateten beide im Mai 1945. Zusammen hatten sie die Kinder Konrad (1932–1991) und Klara (*1946).
Klara Schabrod war ab 1946 in Düsseldorf in der KPD und der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) aktiv sowie in der Friedensbewegung. Sie war bei Kundgebungen zum 1. Mai stets dabei und engagierte sich im Demokratischen Frauenbund Deutschland (DFD) und in der Ostermarschbewegung. Sie setzte sich gegen eine Wiederaufrüstung und für eine Ächtung der Atombombe ein. Klara Schabrod starb am 28. März 1999 mit 96 Jahren.
Widerstand und Repression
Widerstand leistete Klara Matthies auf unterschiedliche Arten: Ihren Verlobten Karl Schabrod unterstützte sie emotional während seiner über zehnjährigen Haftdauer mit zahlreichen Briefen und einigen Zuchthausbesuchen. Sie versuchte immer wieder, ihn mit Gnadengesuchen aus der Haft zu holen. Emotionale Unterstützung leisteten viele Frauen, um ihre widerständigen und zum Teil inhaftierten Freund:innen und Verwandten zu stärken.
Klara Matthies war zudem illegal weiter für die ab 1933 verbotene KPD aktiv. Sie übernahm zur Finanzierung der Partei die Kassierung bei Mitgliedern in zwei Düsseldorfer Stadtteilen, indem sie Beitragsmarken verkaufte. Gegen Frauen ging der nationalsozialistische Staat mit ebensolcher Härte vor wie gegen Männer: Klara Matthies wurde am 26. Juni 1933 wegen „kommunistischer Umtriebe“ und „staatsfeindlicher Betätigung“ festgenommen.
Nach einer Hausdurchsuchung der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS) nach den Marken, die sie für die Unterstützung der KPD verkaufte, wurde sie in einen SS-Folterkeller im Tresorraum einer Bank gebracht. Sie gab nichts über ihre illegale Arbeit preis, da ihr die Worte ihres Bruders Otto präsent waren: Sie dürfe in Verhören niemals A sagen, sonst würde das B aus ihr herausgeprügelt. Sie wurde geschlagen und bedroht, stritt aber konsequent den Markenverkauf ab. „In einer Ecke des Vernehmungsraumes stand eine Kiste mit Nagelspitzen nach oben. Die gestiefelten Kerle höhnten mich aus: ‚Auf die Kiste kommst Du zu liegen, wenn Du nicht aussagst, und kriegst den nackten Arsch gehauen‘. Es kam nicht dazu, ein nächster Trupp wurde eingeliefert.“ (2) Klara Matthies wurde in ein Klosett gesperrt, aus dem sie hörte, wie andere Menschen brutal gefoltert und misshandelt wurden. „Am nächsten Morgen mußte ich den Vernehmungsraum putzen; das Blut derer aufwischen, die gleich mir, die Hitlerherrschaft nicht wollten.“ (3)
Im Anschluss wurde sie für drei Monate in „Schutzhaft“ genommen. Bei ihrer Entlassung wurde ihr von der Gefängnis-Direktorin abgeraten, von der erlebten Gewalt zu berichten, sonst drohe ihr eine erneute Verhaftung „wegen Verbreitung von „Greuelpropaganda“.
Anderthalb Jahre später, im Mai 1935, wurde Klara Matthies erneut für fünf Tage festgenommen, zusammen mit ihrem Bruder Otto. Ihnen wurde vorgeworfen, einen kommunistischen Genossen bei der „Vorbereitung zum Hochverrat“ unterstützt zu haben. Im Verhör bestritten beide, sich staatsfeindlich betätigt zu haben oder jemanden zu kennen, der oder die staatsfeindlich gehandelt habe. Nachgewiesen werden konnte ihnen nichts, obgleich zum Zeitpunkt der zweiten Verhaftung Kontakte in Betrieben geknüpft und Flugblätter geplant waren.
Weiblicher Widerstand – oft unsichtbar
Weiblicher Widerstand hatte viele Facetten. Wie Klara Schabrod zu Genoss:innen zu gehen und Marken zu kassieren, war eine Aufgabe, die einige Frauen übernahmen. Bei einem vermeintlichen „Kaffeekränzchen“ unter Freundinnen konnte der Tausch unauffällig stattfinden. Andere Aufgaben, die Frauen zufielen, waren Quartiere für Illegalisierte zu beschaffen, Tarnvereine für die politische Untergrundarbeit zu gestalten, Flugblätter herzustellen und zu verteilen.
All diese Arbeiten „im Hintergrund“ wären ohne Frauen kaum möglich gewesen. Dies betonte auch Klara Schabrod in ihren Erinnerungen immer wieder. Dabei taten Frauen häufig Dinge, die weniger auffielen, als wenn Männer sie getan hätten. Da einige Antifaschistinnen als Sekretärinnen gearbeitet hatten, waren sie schnell darin, Zeitungen oder Flugblätter zu schreiben. Die fertigen Flugblätter konnten sie dann dezent in Kinderwägen zu anderen Orten bringen.
Das nationalsozialistische Regime unterstellte Frauen weniger stark, widerständig zu sein. Cilly Helten etwa reiste im Zug mit einem Koffer voller antifaschistischer Flugblätter. Als sie Probleme hatte, den sehr schweren Koffer aus der Gepäckablage zu heben, half ihr ein Nazi ganz gentlemanlike mit den verdutzten Worten, dass dies ein schwerer Koffer für eine Frau sei. Nach außen lächelnd und nach innen voller Angst ging sie mit den Materialien davon und konnte sie übergeben.
Im Widerstand waren Frauen aus den unterschiedlichsten Motiven. Im kommunistischen Widerstand waren vor allem Frauen der Arbeiter:innenklasse beteiligt, aber nicht nur, sondern auch Akademikerinnen wie etwa die Ärztin Doris Maase, die nach ihrer Inhaftierung in Ravensbrück dort u. a. Medikamente für erkrankte Frauen schmuggelte.
Der Grund, sich gegen das nationalsozialistische Regime zu stellen, musste nicht im engen Sinn politisch sein. Wenn verfolgte Menschen versteckt und damit vor dem Tod gerettet wurden, geschah dies oft aus reiner Menschlichkeit. Dass gerade Frauen hier einen besonderen Anteil hatten, ist offensichtlich und wird dennoch selten erwähnt. Sie waren es, die Versteckte umsorgten, die vom Essen so viel abzwackten, dass es für mehr reichte als die, die offiziell im Haushalt wohnten. Sie erzählten ihren Kindern Geschichten zu den Versteckten, damit diese nicht Dritten gegenüber darüber berichteten, und trugen Sorge, dass Nachbar:innen möglichst keinen Verdacht hegten.
Diese wichtige Sorgearbeit, ohne die Verstecken nicht möglich gewesen wäre, ist keine nach außen gerichtete Held:innentat; sie ist humanistischer Widerstand gegen ein menschenverachtendes System. So begründete auch Klara Schabrod rückblickend mit 96 Jahren, warum es wichtig war, widerständig zu sein: „Die Geschichte war so, dass Widerstand geleistet werden musste. Wir haben das alles aus Aufrichtigkeit getan. Wir konnten gar nicht anders.“ (4) Auch für sie war ihre Leistung selbstverständlich.
Erinnerung an weiblichen Widerstand nach 1945
Die erlittene Repression war hart für alle Antifaschist:innen. Es war auch nach dem Ende des Nationalsozialismus nicht einfach, über das Erlebte zu sprechen. Dennoch musste es sein, wie Klara Schabrod ihr Engagement begründete: „Doch wir sind es den immer noch ungesühnten Opfern schuldig, damit sie nicht in Vergessenheit geraten und noch wichtiger scheint mir, dass wir auch mithelfen können, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern und unsere Erde bewohnbar zu erhalten.“ (5)
Dass die antifaschistischen Kräfte vor 1933 nicht gemeinsam geschlossener gegen den Nationalsozialismus vorgegangen sind, ist laut der Kämpferin eine Lehre, die aus der Geschichte gezogen werden muss. Klara Schabrod blieb ihr Leben lang überzeugte Antifaschistin und hat „einen Teil des humanistischen Erbes der kommunistischen Bewegung repräsentiert“, wie die ehemalige Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorfs, Angela Genger, Klara Schabrod in ihrem Nachruf würdigt. (6)
Der Deutsche Bundestag hat am 28. Juni 2019 den Antrag „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus würdigen“ angenommen. Der Bundestag hat demnach 74 Jahre nach Kriegsende die Bedeutung dessen, was antifaschistische Frauen während des Nationalsozialismus geleistet haben, anerkannt. Zu ihren Lebzeiten hat kaum eine der Antifaschistinnen Anerkennung erhalten; im Gegenteil. Klara Schabrods eingereichter Antrag auf Entschädigung für Schäden an Körper und Gesundheit wurde von der Landesrentenbehörde wegen der kurzen Haftdauer abgewiesen. Stattdessen ist sie von „neuen“ Rechten beschimpft worden und erfuhr als Kommunistin weiterhin Repressionen in der alten und in der vereinten BRD.
Früher als der Bundestag erkannten Aktivistinnen und die Frauenforschung, warum es wichtig ist, Widerstandskämpferinnen zu würdigen. So wie es seit Jahren die schon erwähnte „Zweitzeugin“ Florence Hervé tut, die Lebensgeschichten europäischer Antifaschistinnen aufschreibt, damit sie nicht vergessen werden. (7) Weitere wichtige Zeug:innen sind die Kinder der Widerständigen, wie etwa Klara Tuchscherer, die Tochter von Klara und Karl Schabrod. Sie hält mit anderen „Kindern des Widerstandes“ die Erinnerung an ihre Eltern aufrecht. (8) Die Geschichten der Kämpfenden bleiben damit sichtbar.
Zugleich sollten sie uns allen ein Ansatz sein, uns antifaschistisch zu engagieren, um, wie es Klara Schabrod sagte, „einen Dritten Weltkrieg zu verhindern und unsere Erde bewohnbar zu erhalten.“ Am 18. Januar 2023 wäre Klara Schabrod 120 Jahre alt geworden.
(1) Klara Schabrod und Maria Wachter: Widerstand von Frauen in Düsseldorf, in: Der eigene Blick. Frauen-Geschichte und -Kultur in Düsseldorf, Neuss 1989, S. 63–76; hier S. 63.
(2) Frauenbüro der Landeshauptstadt Düsseldorf (Hrsg.): Düsseldorfer Frauen aus den Spuren… Wege durch die Geschichte der Stadt, Düsseldorf 1991, S. 48.
(3) Klara Schabrod: Im SS-Keller an der Kö, in: Demokratische Fraueninitiative (Hrsg.): Trotz alledem. Frauen im Düsseldorfer Widerstand. Berichte – Dokumente – Interviews, Neuss 1985, S. 14 f., hier S. 14.
(4) Mareen Heying/Florence Hervé: Klara Schabrod, in: Dies.: Frauen im Widerstand. 1933–1945. Düsseldorf, Köln 2012, S. 75–77, hier S. 77.
(5) Schabrod/Wachter, a. a. O., S. 67.
(6) Angela Genger: Klara Schabrod (1903–1999), in: Augenblick. Berichte, Informationen und Dokumente der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, 14–15, Düsseldorf 1999, S. 30.
(7) Florence Hervé (Hrsg.): Mit Mut und List. Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg, Köln 2020.
(8) Kinder des Widerstandes (Hrsg.): Antifaschismus als Aufgabe, Wuppertal 2016, Website der Gruppe „Kinder des Widerstandes“, https://kinder-des-widerstandes.de
Literatur von Klara Schabrod:
- Klara Schabrod (1978): Ein Blick in ein Frauenantlitz – und alles ist wieder gegenwärtig, S. 85–88; Klara Schabrod (1978): Wie das Lied der Moorsoldaten aus dem Lager geschmuggelt wurde, S. 88–89; Klara Schabrod (1978): Sie sorgten für gesicherte Weiterarbeit, S. 124–125; Klara Schabrod (1978): Die drei Mommerstöchter, S. 171–173; Klara Schabrod (1978): Solidarität mit Fremdarbeitern, S. 173–174. In: Karl Schabrod: Widerstand gegen Flick und Florian. Düsseldorfer Antifaschisten über ihren Widerstand 1933–1945, Frankfurt am Main.
- Klara Schabrod (1985): Im SS-Keller an der Kö, in: Demokratische Fraueninitiative (Hrsg.): Trotz alledem. Frauen im Düsseldorfer Widerstand. Berichte – Dokumente – Interviews, Neuss, S. 14–15.
- Klara Schabrod und Maria Wachter (1989): Widerstand von Frauen in Düsseldorf, in: Der eigene Blick. Frauen-Geschichte und Kultur in Düsseldorf, Neuss, S. 63–76.
- Klara Schabrod (1994): Schwierige Aufgaben, in: Florence Hervé/Ingeborg Nödinger (Hrsg.): Bewegte Jahre – Düsseldorfer Frauen, Düsseldorf, S. 42–43.
Literatur über Klara Schabrod:
- Demokratische Fraueninitiative Düsseldorf (1979): Trotz alledem. Frauen im Düsseldorfer Widerstand. Berichte – Dokumente – Interviews, Neuss (Neuauflage 1985: Neuss).
- Genger, Angela (1999): Klara Schabrod (1903–1999), in: Augenblick. Berichte, Informationen und Dokumente der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, 14–15, Düsseldorf, S. 30.
- Hervé Florence (1999): Klara Schabrod. Eine Frau gegen den Krieg, in: Wir Frauen. Das feministische Blatt, 2, S. 31.
- Heying, Mareen/Hervé, Florence (2012): Klara Schabrod, in: Dies.: Frauen im Widerstand. 1933 bis 1945. Düsseldorf. Köln, S. 75–77.
- Heying, Mareen (2014): „sei innigst umarmt und geküsst“. Klara Schabrod – Alltagskonstruktionen einer Kommunistin in Briefen zur Zeit des deutschen Faschismus, Bochum.
- Kinder des Widerstandes (Hrsg.) (2016): Antifaschismus als Aufgabe, Wuppertal.