Filmreview

Alles Geld der Welt

Neu im Kino: Generation Wealth

| Ines Jancar

Foto: © Lauren Greenfield/INSTITUTE

Am 31.01. kommt Lauren Greenfields Dokumentarfilm „Generation Wealth“ in die Kinos. Infolge Jahrzehnte langer Auseinandersetzung mit Reichtum hat sich für die Fotografin Lauren Greenfield die Einsicht ergeben, dass sich der American Dream gewandelt hat: Es geht nicht länger um die allen zustehende Möglichkeit, sozial und ökonomisch aufzusteigen, sondern um ein Schwelgen im absurdesten Luxus. Die Sonnen- wie auch die Schattenseite des Reichtums beleuchtet sie, indem sie einige Menschen, die sie oftmals schon im Jugendalter fotografiert hat, zu späteren Zeitpunkten ihres Lebens wieder aufsucht.

Kinoplakat

Den Einstieg in den Film bilden weitgehend zusammenhangslose Szenen von goldbehängten Rappern, schönheitsoperierten Frauen, Luxusvillen, exzessiven Partys und auf den Straßen Los Angeles‘ gleichgültig posierenden rich kids. Angesichts der schnell aufeinander folgenden, überbordenden Bilder fällt es schwer, im Nachhinein eines auszumachen, das herausstach. Vielleicht ist es das Interview mit einem jungen Mädchen, das gekrönt und zurechtgemacht für einen der vielen Schönheitswettbewerbe für Kinder vor der Kamera sitzt. Ohne zu zögern beantwortet sie die Frage, wofür sie an diesen Wettbewerben teilnimmt: Geld. Geld Geld Geld. Was sie damit machen wolle? Na, es küssen und es ausgeben. Und es zeigt sich, dass die porträtierten Erwachsenen keine bessere Antwort darauf finden.

Es ist eine Mischung aus Befremden und Faszination, mit der die Regisseurin den Superreichen und solchen, die es werden wollen, begegnet. Dieser gewissermaßen ethnografisch geschulten Blick wird passend mit einer Musik untermalt, die an einen Walt-Disney-Märchenwald erinnert. Im Laufe des Films werden dann allerdings die erwartbaren Phänomene abgehandelt, die eine Konsumgesellschaft begleiten, in der auch der Körper als Ware gilt: Schönheit, Magersucht und andere Formen der Selbstzüchtigung, Pornografie, Leihmutterschaft, Obsessionen. Alles in dieser dekadenten Welt ist in Geld messbar und vermittels desselben austauschbar. Auch hier erfasst es die kleine Schönheitskönigin prägnant: Ihre Schönheit bedeute, dass sie Geld bekomme („that i get money“).

Als Wendepunkt, der den Film in die Sonnen- und Schattenseite teilt, wird das Jahr 2008 ausgemacht, also mehr oder weniger explizit die Finanzkrise. Die Hauptperson, der deutsch-amerikanische Börsenspekulant Florian Homm, geht pleite, taucht unter und wird von FBI und DEA wegen mutmaßlichen Betrugs gesucht. Eine Mutter, die ihrer Tochter mittels plastischer Chirurgie ein Vorbild sein wollte, hat diese durch Suizid verloren und sich zudem durch die Operationen verschuldet. Eine Porno-Darstellerin bricht beim Dreh schluchzend zusammen. Doch obwohl der Versuch unternommen wird, dieser Wende etwas Allgemeines abzuringen, das den oft bemühten Vergleich zum Niedergang des Antiken Roms rechtfertigen würde, bleiben die Bilder doch Momentaufnahmen individueller Schicksale.

Aus der Synchronisierung der Schicksale soll sich die triviale Einsicht ergeben, dass Geld allein nicht glücklich macht. Nicht anders lässt sich die Warnung an die Durchschnittsbürger_innen verstehen: „Be careful what you wish for.“ Doch selbst diese Binsenweisheit ist nicht konsequent und plausibel aufgezeigt; so scheitern einige der Existenzen doch vielmehr daran, dass ihnen das Geld ausgegangen ist. Auch die aufscheinenden Gegenpole zum exorbitanten Vermögen wirken recht banal und einfallslos: Harte Arbeit soll wieder der Schlüssel zum Erfolg sein, und natürlich: Am Ende zählt die Familie, auf die man sich besinnen soll.

Hält sich für geläutert: Börsenspekulant Florian Homm – Foto: © Lauren Greenfield/INSTITUTE

Insgesamt hätte Lauren Greenfield gut daran getan, ihre Bilder nicht selbst zu erklären bzw. biografisch einzuordnen und damit dem Bilderstrom eine Flut an Zitaten an die Seite zu stellen. Indem jedwede moralische Konsequenz vorgekaut wird, sprechen die Bilder nicht für sich und es bleiben wenige Eindrücke aus der Welt der Reichen, Schönen und Mächtigen zurück, die man nicht meint, schon einmal ähnlich in einer Promi-Illustrierten gesehen zu haben. Zwar werden diese Deutungen zum Teil relativiert, indem auch die Position der Regisseurin und die Person Lauren Greenfield mitsamt ihrer Familie hinterfragt werden. Doch an dieser Stelle wird die Gier nach Reichtum und die Geltungssucht der Porträtierten zu simpel mit dem Arbeitseifer der Regisseurin gleichgesetzt (Selbstdiagnose: Workaholic), nach dem Motto: Wir haben doch alle unsere Obsessionen und streben nach etwas.

Die Selbstreferenzialität bringt insofern wenig neue Einsichten und zeigt nur einmal mehr auf, dass Lauren Greenfield selbst dem privilegierten Harvard-Milieu entstammt wie der Hauptcharakter Florian Homm; dieser scheint bis dato nicht reflektiert zu haben, dass das Geld, das er verprasst, nie von ihm als Wert geschöpft wurde. Auch im anschließenden Publikumsgespräch mit live zugeschalteter Greenfield und anwesendem Homm wird deutlich, dass beide bis heute freundschaftlich verbunden sind – wenngleich nur Homm es fertigbringt, als zentrales Zitat des Films sein eigenes zu nennen.

Generation Wealth – Wenn viel gut ist, dann ist mehr besser from JIP Film und Verleih on Vimeo.

Was geschieht am Ende mit der immer wieder anklingenden Sorge von Greenfields Sohn, die dieser in einem Gedicht über das Gewicht seines Erbes kundtut? „Legacy is my life“ erntet Applaus und wird in den Film aufgenommen. Der Film zeigt demnach nicht etwa den Lebensstil einer Generation, wie der Titel es nahelegt, sondern den einer sich größtenteils selbst reproduzierenden Klasse.

Generation Wealth - Dokumentarfilm USA 2018 - Regie: Lauren Greenfield - Mit Florian Homm, Kacey Jordan, Chris Hedges - 106 Minuten - ab 31.1. 2019 im Kino

Dies ist ein Beitrag der Online-Redaktion. Weitere Besprechungen von Büchern, Filmen und Musik finden sich in der Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.