Serienbesprechung

Immer was los in Castle Rock

Neu im Stream: Castle Rock

| Moppel Wehnemann

Am heutigen Freitag startet die Serie "Castle Rock" bei dem Streaming-Kanal "Starzplay", die Motive aus Stephen King-Filmen und -Büchern vereint. Für die GWR hat sie sich Moppel Wehnemann angeschaut.

Im Horrorfilm wird gemeinhin mit Ängsten jedweder Art gespielt. Als besonders anziehend wirkt zumeist das Schlüsselelement der Nacht: Wenn die Augen den Dienst versagen, Geräusche unheimlich werden, weil sie nicht zugeordnet werden können und uns das Unbekannte umgibt, dann haben wir einen guten Ausgangspunkt, um ins Gruseln einzutauchen. Dass man im Filmischen schon längst niemanden mehr allein mit dem Element der Nacht verschreckt hinter die Couch treibt, braucht keiner besonderen Erwähnung. Das Anschauen von Horrorfilmen jagt uns vielleicht nicht direkt Angst ein, denn als Zuschauer befinden wir uns selbstredend in Sicherheit. Wir sind ja nur Außenstehende. Beobachter. Dies ermöglicht uns eine Freude beim Gruseln und Erschrecken zu empfinden. Bevorzugt bei eben dem, was man nicht sieht, was also ausschließlich in unserer Vorstellung geschieht. Wenn sich nun Elemente der Genres Thriller, Science-Fiction und Mystery zum Horror gesellen, dann finden wir uns sehr wahrscheinlich in der neuen US-amerikanischen Serie aus dem Jahr 2018 von J.J. Abrams und Stephen King wieder, die nun mit zehn Episoden in der ersten Staffel in Deutschland startet: „Castle Rock“. Wie so oft bei den Werken Stephen Kings (71) ist Haupthandlungsort eine verschlafene Stadt in Maine, die durchschnittlicher und kleinbürgerlicher kaum sein könnte. Im Provinzstädtchen Castle Rock leben 1500 Menschen, die mit allerhand Problemen zu kämpfen haben, mit denen Menschen sich nun mal so herumschlagen müssen. Basierend auf zahlreichen Kurzgeschichten und Filmen Kings dreht sich auch hier viel um Mystisches, den Wahnsinn, das Böse und den Tod.

Stephen King – Foto: Pinguino Kolb [CC BY 2.0) ], via Wikimedia Commons
Gleich zu Beginn wird der Zuschauer durch den Suizid des Gefängnisdirektors Dale Lacy (Terry O’Quinn) an die Handlung herangeführt und gefesselt. Fortlaufend wird viel auf Bildsprache und die daran geknüpfte Selbsterklärung der Zusammenhänge gesetzt. Untermalt wird das Mystische durch die entsättigten Farben, sowie Ort- und Zeitsprünge. Mal bewegen wir uns im Winter des Jahres 1991, dann im Sommer 2018. Der Erzählstrang mit seinen Sprüngen und Flashbacks ist wichtig, zeigt er doch zunehmend, dass scheinbar alles und jeder miteinander verbunden ist. Die Charaktere sind sorgfältig ausgearbeitet und laden dazu ein, mehr über sie und ihre Beziehungen zueinander erfahren zu wollen. Im Mittelpunkt steht zweifelsohne der namenlose Gefangene (Bill Skarsgård), der von dem Wachmann Dennis Zalewski (Noel Fisher) aus dem Keller des örtlichen Gefängnisses aus einem Verschlag befreit wird, in dem er offensichtlich mehrere Jahre, vielleicht sein ganzes Leben, zugebracht hat. Das einzige, was er nach der Abgabe seiner Fingerabdrücke sagt, ist der Name „Henry Matthew Deaver“. Der wiederum ist ein 39-jähriger Rechtsanwalt (André Holland), der wegen des Unbekannten in seine Heimatstadt zurückkehrt, wo er auf seine Jugendfreundin Molly (Melanie Lynskey), einer Immobilienmaklerin mit Drogenproblem, trifft. Rückblenden in das Jahr 1991 zeigen, dass Henry als zehnjähriger elf Tage lang verschwunden war und von dem Sheriff Alan Pangborn (Scott Glenn) gefunden und zu seiner Mutter Ruth (Sissy Spacek) zurückgebracht wurde. Im Jahr 2018 leben Alan und Ruth zusammen in ihrem Haus, was bei Henry wenig Freude auslöst. Für Filmfreunde im Allgemeinen und für Stephen King-Freunde im Besonderen gibt es neben den Hauptcharakteren auch allerhand um sie herum zu entdecken. So finden sich zahlreiche Anspielungen auf Kings Filme, in denen es sich bekanntermaßen auch immer um das Böse dreht. Und wo das Böse zu Werke schreitet, muss es auch immer ein Gefängnis geben: Hier ist es das Shawshank, das bereits im Film „Shawshank Redemption“ (Die Verurteilten, 1994) zu sehen war. Hier haben wir sogleich mehrere Verbindungen: Zum einen also der Name des Gefängnisses, zum anderen gibt es in der Stadt eine Redemption Road und der Bus, mit dem Henry in die Stadt kommt, tauchte ebenfalls schon in „Die Verurteilten“ auf. Dieser kleinen Easter Eggs gibt es viele. Schon im Einspieler, in dem beispielsweise das Wort REDRUM (The Shining, 1980) ebenso auftaucht wie die Zeile „The Mouse on the Mile“, was nicht die einzige Anspielung auf The Green Mile (1999) ist. Denn die Maus, nennen wir sie hier auch einfach mal „Mr. Jingles“, huscht in einer Szene im Gefängnis durchs Bild. Aber wie es mit Stephen King eben so ist: Sie stirbt.

Damit steht sie nicht alleine da, denn in der Serie wird viel gestorben. Einer der Suizidenten ist der Bruder Lacys, der sich im Football-Maskottchen-Kostüm im Jahre 1961 vom Dach der Schule in den Tod stürzt. Eine Szene, bei der man sich unweigerlich an den Film Das Omen (1976) erinnert fühlt. Wenngleich dieser nicht aufs King-Konto geht. Und wenn wir schon im Jahr 1976 sind: Sissy Spacek, war Carrie im gleichnamigen Film. Der Namenlose spielte übrigens Pennywise in „ES“. Dem Remake von 2017, nicht in dem Film von 1990. Kleine Randbemerkungen. Eine Figur, die immer wieder im „King-Kosmos“ auftaucht, wie Georg Seeßlen es einst so schön nannte, ist die des Alan Pangborn. Zum Beispiel in The Dark Half (Stark, 1993), der von George A. Romero verfilmt wurde. Ohnehin sind es die vielen Kleinigkeiten, die beim Verfolgen der Handlung viel Entzücken bereiten und Raum für Interpretationen schaffen. So taucht, fast nebenbei, in einer Bar eine junge Frau auf: Jackie Torrance (Jane Levy). Wer Shining gesehen hat, muss unweigerlich schmunzeln, sobald Jackie ihren Namen nennt. Denn der Familienvater Jack Torrance (Jack Nicholson), der Frau und Kind in dem Hotel, das er über die Wintermonate als Hausmeister in Stand halten soll, umzubringen versucht, ist das klassische Sinnbild für Wahnsinn.

Man darf gespannt sein, wie sich die junge Dame dahingehend in Castle Rock noch einbringen wird. Weniger naheliegend, dennoch aber möglich, ist der Schlag den man bei einer Rückblende der Kamerafahrt vorbei an einem Tisch, auf dem eine Schreibmaschine steht, zu Misery (1990) führen kann. Es gibt also neben dem Plot allerhand zu entdecken, auch für jene, die nicht besonders bewandert im King-Kosmos sind. Dahingehend haben die Autoren Sam Shaw, Dustin Thomason, Mark Lafferty, Vinnie Wilhelm und Scott Brown ganze Arbeit geleistet. Wirklich gruseln lässt es sich zwar nicht, aber spannend ist die Serie allemal.

Moppel Wehnemann hat kürzlich als eine von mehreren Autor*innen (u.a. Dietmar Dath, Philipp Mosetter, Mark-Stefan Tietze, Vincent Klink, Katja Thorwart) das Buch "Vom Warten" veröffentlicht.

Dies ist ein Beitrag der Online-Redaktion. Weitere Besprechungen von Büchern, Filmen und Musik finden sich in der Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.