Desertion und Verweigerung im Krieg

Ein deutliches Zeichen, Nein zu sagen

| Rudi Friedrich, Connection e. V.

Das wirksamste Mittel, um das Morden zu beenden, ist die massenhafte Verweigerung: Deshalb gilt unsere ganz besondere Solidarität allen Menschen, die aus der Armee desertieren und den Kriegsdienst verweigern. Rudi Friedrich von Connection e. V. zeigt in seinem Artikel für die GWR außer der rechtlichen Lage auch die bereits bestehenden Netzwerke und Unterstützungsmöglichkeiten auf. (GWR-Red.)

Es herrscht wieder Krieg in Europa. Russische Truppen sind in die Ukraine einmarschiert, Städte sind umzingelt. Das bedeutet Tod und Leid für die Zivilbevölkerung, Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Und es steht zu befürchten, dass der Krieg weiter eskaliert. So werden seit Anfang März in Belarus Rekruten zum Militär eingezogen.
Aber auch das: Aus der Ukraine, aus Russland und Belarus gibt es Berichte über Desertionen, Militärdienstentziehungen und Verweigerung. Die Soldatenmütter St. Petersburg hatten deutlich darauf hingewiesen, dass es die Möglichkeit gibt, den Dienst zu verweigern. Nash Dom, eine nun in Litauen ansässige Organisation aus Belarus, rief belarussische Männer auf, sich den Rekrutierungen zu entziehen. Diesem Aufruf sind bereits Hunderte gefolgt. Und auch in der Ukraine gibt es Männer und Frauen, die sich nicht am Krieg beteiligen wollen.
Unsere Solidarität und Unterstützung gilt allen, die sich dem Kriegseinsatz verweigern oder desertieren. Sie müssen geschützt werden. Unsere Solidarität und Unterstützung gilt auch allen, die auf welcher Seite auch immer gegen den Krieg aufstehen, zivilen Widerstand leisten und das sofortige Ende des Krieges einfordern.

Aufenthalt und Asyl

Das ukrainische Militär hat die Grenze für taugliche Männer gesperrt. An der Grenze wird scharf kontrolliert. Ähnlich dürfte es an der belarussischen und russischen Grenze aussehen. Es ist der Versuch der jeweiligen Militärs, der Männer habhaft zu werden und sie zum Kriegseinsatz zu zwingen.
Dennoch finden sie Schlupflöcher und Wege, wie sie Nachbarländer erreichen können. Und dort müssen sie sich damit auseinandersetzen, wie sie Hilfe und Schutz erhalten. Wir gehen auch davon aus, dass sich viele, die in der Europäischen Union arbeiten, der Aufforderung entziehen, in den Krieg zu ziehen.
Für ukrainische Verweigerer gelten besondere Regeln: Die Europäische Union hatte Anfang März 2022 beschlossen, allen ukrainischen Staatsbürger*innen, die bis zum 24. Februar 2022 in der Ukraine gemeldet waren, einen zunächst auf ein Jahr befristeten Aufenthalt zu gewähren. Eine Asylantragstellung kann auch noch im Anschluss erfolgen. Damit ist für die ukrainischen Flüchtlinge, die es in die EU geschafft haben, der Druck genommen, einen Asylantrag zu stellen. Das wird auch bedeuten, dass ukrainische Verweigerer eher nicht auf ihre Verweigerung verweisen, sondern als Flüchtlinge den humanitären Status wahrnehmen werden. Wir müssen uns allerdings darauf vorbereiten, dass mit Auslaufen dieser Regelung die Frage des Asylantrags wieder im Raum steht.
Für russische und belarussische Verweiger*innen und De
serteur*innen ist die Lage anders: Sie müssen nach ihrer Einreise einen Asylantrag stellen. Für eine Anerkennung gibt es zwar ein gutes Argument (Verweigerung der Teilnahme an einem Angriffskrieg), aber das Problem dürfte im Detail liegen. Jeder Asylantrag wird einzeln geprüft. Die Antragsteller*innen müssen also nachweisen oder zumindest entsprechend glaubhaft machen können, dass sie aus Russland (Belarus) sind und dass sie zu einer Einheit rekrutiert wurden, die im Kriegsgebiet eingesetzt wird. Hier ist ganz sicher Unterstützung nötig, auch durch eine anwaltliche Vertretung.

Praktische Unterstützung

Wie können nun die Deserteur*innen und Verweiger*innen unterstützt werden? Noch sind wir dabei, Strukturen und Arbeitszusammenhänge dafür aufzubauen. Aber es gibt auch große Bereitschaft für eine breite Unterstützung dieser Arbeit.
Auf verschiedenen Ebenen sind wir bereits aktiv geworden:

  • Es gibt ein Grundlageninfo jeweils getrennt für russische, belarussische und ukrainische Deserteur*innen bzw. Verweiger*innen. Das findet sich gemeinsam mit weiteren Informationen unter https://www.Connection-eV.org/get.out.2022
  • Wir konnten eine Erstanlaufstelle in russischer Sprache eröffnen. Die ist erreichbar unter get.out.2022@gmx.de, Tel. 0049 157 824 702 51
  • Wir haben Kontakte zu Gruppen in Finnland, Ungarn, Litauen und Georgien aufgenommen, um ein Netzwerk zu bilden, das sich für Deserteur*innen und Verweiger*innen aus den am Krieg beteiligten Ländern einsetzt. Wir versuchen derzeit, dieses Netzwerk auch auf die anderen Nachbarstaaten zu erweitern.
  • Aufgrund eines Spendenaufrufs und einer Aktion des Quijote-Kaffee-Kollektivs konnten wir Gelder einwerben, die wir ausschließlich für die Arbeit mit den Deserteur*innen und Verweigerer*innen verwenden werden. Ziel ist es, ständige Anlauf- und Beratungsstellen in verschiedenen Ländern aufrechtzuerhalten, Gruppen in Russland, Belarus, Ukraine und den Nachbarländern finanziell bei dieser Arbeit zu unterstützen und für eine gute Kommunikation zu sorgen.

Spendenkonto:
Connection e.V., IBAN
DE47 5055 0020 0006 0853 77, Sparkasse Offenbach
Aktuelle Informationen:
https://www.Connection-eV.org/get.out.2022
https://www.Connection-eV.org/StopWarUkraine