prima klima

Mit indigenen Widerstandskämpfer*innen im Polizeikessel

Erlebnisse von der Karawane für das Wasser und das Leben in Mexiko

| Sofia von Lützerath Lebt

Die Karawane rollt farbenprächtig durch die Straßen Mexikos - Foto: Jana Bauch

Im März und April 2022 reiste die „Karawane für das Wasser und das Leben“ vier Wochen lang durch Mexiko, um verschiedene Orte des meist indigenen Widerstandes gegen kapitalistische Ausbeutung und Zerstörung von Lebensgrundlagen sichtbarer zu machen und zu vernetzen. Mit dabei war auch eine Delegation aus Lützerath, einem widerständigen Dorf im Rheinland direkt am Braunkohletagebau Garzweiler. Der Artikel von Sofia von Lützerath Lebt fokussiert sich insbesondere auf den Kampf der indigenen Gruppe der Triqui aus dem Dorf Tierra Blanca Copala im Bundesstaat Oaxaca.

„Stimmung hier sehr angespannt, der Kessel ist zu, ich glaube ihr kommt nicht mehr rein!“ Eine Nachricht in unserer Chatgruppe am Montagmittag, dem 25. April, einen Tag nach Ende der Karawane für das Wasser und das Leben. Mitten in Mexiko-Stadt sprinten wir daraufhin zu zweit vom Markt zurück zu einem Gelände, auf dem die indigene Gruppe der Triqui gegen ihren Willen von den Behörden von Mexiko-Stadt festgehalten wurde, nachdem sie wenige Stunden vorher, mitten in der Nacht, brutal aus ihrer Besetzung vor dem Kunstmuseum „Bellas Artes“ im Stadtzentrum geräumt wurde.
Der Ort, an den die Triquis gebracht wurden, gleicht eher einer Müllkippe als einer sicheren Unterkunft. Durch einen Hintereingang schaffen wir es gerade noch zurück zu unseren Compañerxs (Genoss*innen) von der Karawane, die mit uns gemeinsam versuchen, mit Logistik und Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen.
Kurz darauf ist der Kessel tatsächlich zu. Und niemand hier interessiert sich mehr für die uns in Auftrag gegebenen Einkäufe. Denn in der Zwischenzeit ist die zuvor friedliche Pressekonferenz zu einer wütenden Menschenmenge geworden, die Zäune einreißt, auf Polizeiautos klettert und lautstark ihre Freilassung fordert. Ganz vorne mit dabei sind junge Mädchen und Frauen, mittendrin die Älteren und kleine Kinder. Zugegeben, da helfen unsere Zwiebeln und Kaktusblätter gerade wenig weiter.
Nur wenige Minuten später ist der Polizeikessel tatsächlich aufgebrochen, und es bildet sich eine bunte Straßenblockade auf der angrenzenden Schnellstraße, die zunächst friedlich als Demozug in Richtung der nächsten Metrostation zieht. Eigentlich ein sehr gewohntes Bild für uns, war doch das die letzten Wochen quasi unser Tagesgeschäft auf der Karawane für das Wasser und das Leben. Es ertönen Rufe wie „¡Tierra Blanca no se vende, Tierra Blanca no se van, Tierra Blanca se defiende con mucha dignidad!“ Frei auf Deutsch übersetzt: „Tierra Blanca wird nicht verkauft, Tierra Blanca wird nicht verlassen, Tierra Blanca wird verteidigt mit viel Würde!“ Tierra Blanca Copala ist das Dorf im Bundesstaat Oaxaca, aus dem die Gruppe der Triqui 2020 gewaltsam vertrieben wurde. Doch dazu später mehr.
Mittlerweile hat sich die Situation, in der wir uns befinden, schon wieder schlagartig verändert. Mehrere Hundertschaften von Polizist*innen mit Schildern und Helmen, so genannten Granaderxs, rennen am Demozug vorbei und haben die Gruppe von etwa 50 Menschen, inklusive vieler Kinder, blitzschnell mit mehreren Reihen eingekesselt. Wo kamen die auf einmal her? Ein völlig absurdes Bild. Wir kommen uns vor wie im falschen Film.
Vier Aktivistinnen von uns sind mit im Kessel gelandet und versuchen zu unterstützen, unter anderem durch Live-Übertragungen auf Social Media. Vier von uns sind außerhalb als Back-Up-Support, versuchen Lebensmittel und Wasser in den Kessel zu bekommen und Aufrufe für Social Media rauszuschicken. Unsere Fotografin ist mit der Metro auf dem Weg zu uns. Schon jetzt übersteigt die Situation deutlich unser zuvor für den Tag besprochenes Aktionslevel. 
Klar, Polizeikessel kennen wir aus Deutschland, aber in Mexiko ist das eine andere Nummer.
Doch wie kam es dazu, dass eine Delegation aus deutschen Klima-
gerechtigkeitsaktivistinnen, statt in Lützerath in Plena zu sitzen, in Mexiko-Stadt mit einer indigenen Gruppe in einem Polizeikessel steckt?

Die Samen der Gira Zapatista: Von Altepelmecalli nach Lützerath und zurück

Die Gira Zapatista, die Reise der Zapatistas und Compañerxs des Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) von Mexiko nach Europa im vergangenen Sommer, wurde oft mit dem Bild des „Samen-Säens“ beschrieben. Tatsächlich sind dadurch viele persönliche Beziehungen geknüpft worden, wodurch unter anderem eine Person aus Lützerath im Januar 2022 mehrere Wochen bei den Pueblos Unidos de Choluteca zu Gast war.
Dieser Zusammenschluss von organisierten indigenen Dörfern rund um die Großstadt Puebla hat am 22. März 2021, dem Internationalen Tag des Wassers, ein Wasserabfüllwerk der Firma Bonafont, Tochter des französischen Konzerns Danone, besetzt. Nachdem fast 30 Jahre lang jeden Tag über 1,5 Millionen Liter Wasser abgepumpt wurden, haben die Pueblos Unidos die Brunnen versiegelt und auf dem Gelände eine Art Gemeindezentrum aufgebaut. Die Landschaft drumherum ist zwar immer noch ausgetrocknet, doch langsam, aber sicher lässt sich ein Wiederanstieg des Grundwassers verzeichnen. Das Gemeindezentrum, genannt Altepelmecalli (frei übersetzt: Haus der Bevölkerungen), bot Raum für landwirtschaftliche Selbstversorgung, Gesundheitsversorgung, eine Bibliothek, Werkstätten, Kooperativen, eine eigene Radio- und Fernsehsendung, Sprachkurse, Kunst und vieles mehr.
Aus dieser Situation heraus entschieden die Pueblos Unidos, im Frühjahr 2022 eine Karawane für das Wasser und das Leben zu organisieren, die mehrere Ziele haben sollte: Die teilnehmenden Communities dazu zu bringen, sich selbst gut zu organisieren; sich untereinander besser kennenzulernen und zusammenzuarbeiten; die Idee von Autonomie, Selbstverwaltung und Besetzungen weiterzuverbreiten; den teilnehmenden Kämpfen größere Aufmerksamkeit zu verschaffen, auch über Mexiko hinaus; und schließlich die internationale Zusammenarbeit mit Kämpfen aus aller Welt in die Praxis umzusetzen und zu stärken. Hier kamen wir ins Spiel: Als Compañerxs aus Lützerath, die gegen den Braunkohletagebau und den Kapitalismus und für ein gutes Leben für alle kämpfen, wurden wir über den persönlichen Kontakt offiziell eingeladen, mit einer Delegation an der Karawane für das Wasser und das Leben teilzunehmen.

Für einige Stunden zierte daraufhin ein schöner Spruch die weiße Wand der Deutschen Botschaft: „Lüthserath se keda“, also „Lützerath bleibt“.

Noch während der Vorbereitungen für die Karawane wurde in der Nacht des 15. Februar 2022 das Gemeindezentrum Altepelmecalli geräumt. Vier Hundertschaften gegen eine Nachtwache von vier Aktivist*innen war eine klare Sache. Um weiter Aufmerksamkeit auf die Kämpfe zu lenken und Repression schwieriger zu machen, war klar, dass die Karawane trotzdem stattfinden würde.

Von Straßenblockaden bis hin zu religiösen Ritualen

„Was macht ihr da eigentlich genau auf eurer Karawane?“, wurden wir häufig von interessierten Mitmenschen aus Deutschland gefragt. Das zu erklären, stellte sich als schwierig und einfach zugleich heraus. Insgesamt hat die Karawane in vier Wochen neun verschiedene Bundesstaaten besucht, das bedeutet viele lange Fahrten mit unserem gemieteten Reisebus und den Pick-ups, oft auch über Nacht. Zu Gast waren wir bei indigenen Gemeinden, organisierten Verkäufer*innen, studentischen Gruppen, Besetzungen oder den Familien von politischen Gefangenen. Angeschaut haben wir ausgetrocknete Flüsse und Landschaften, verschmutzte Gewässer, Mülldeponien, aber auch Gräber verstorbener Sprecher*innen der Bewegungen.
Als Verantwortliche benannt wurden in den lokalen Kämpfen je nach Situation die mexikanische Regierung auf allen drei Ebenen (Bund, Staaten, Städte), die nationale Behörde für Wasser und Gewässer „ConAgua“, transnationale Konzerne wie die Deutsche Bahn, Danone, Coca-Cola, Volkswagen oder Walmart und schließlich bewaffnete paramilitärische Gruppen, die so genannten Narcos, die häufig indirekt von der Regierung unterstützt und gedeckt werden.
Unsere Aktionsformen bei der Karawane waren divers. Häufig fanden Demonstrationen statt, die mit Pressekonferenzen oder Kundgebungen verbunden waren. Mal 40 Menschen in einem kleinen Dorf, mal 400 Menschen in der Stadt. Wir blockierten außerdem Straßen und Fabrikeinfahrten und besprayten verschiedenste Regierungsgebäude. Begleitet wurden unsere Tage von einer Vielfalt an kulturellen Beiträgen wie Musik und Tanz sowie religiösen Ritualen.
Wie all das in vier Wochen gepasst hat? Oft sind wir morgens um vier Uhr aufgestanden, um in den Reisebus zu steigen, haben häufig mehrere Orte an einem Tag besucht, zwischendrin im Bus Schlaf nachgeholt und dann bis nachts um ein Uhr pleniert, weil noch irgendetwas ausdiskutiert werden musste. Angelegenheiten der Finanzen oder der Sicherheit der Karawane waren oft Thema, für beides gab es eine Arbeitsgruppe, genannt Kommission. Eine offizielle Kommission gegen Machismus und patriarchale Gewalt und für queer-feministisches Empowerment gab es hingegen nicht …

„Slumil con la Caravana“ (1): Unterstützung aus Europa

Während der Osterfeiertage pausierte die Karawane, um der internationalistischen Vernetzung von Kämpfen Raum zu geben. Während dieser „Internationalen Tage“ fanden zehn von der Karawane ausgehende Veranstaltungen statt, online, hybrid oder live vor Ort. Zusätzlich gab es Solidaritätsaktionen und -botschaften aus vielen Ländern Europas und Lateinamerikas.
Den Auftakt bildete eine Diskussionsveranstaltung zur Autoindustrie mit Teilnehmenden aus Mexiko und Deutschland. Die Veranstaltung wurde von einer deutschen Verkehrswendeaktivistin von Mexiko aus moderiert, und eine mexikanische Aktivistin, die gerade zu Besuch in Lützerath war, erzählte von den Folgen der Automobilindustrie von Volkswagen in Puebla. Übersetzt wurden diese und viele andere Veranstaltungen in mehrere Sprachen. Alles lässt sich auf den Facebook- und YouTube-Kanälen der mexikanischen anarchistischen Medienplattform Techemedios nachschauen. So auch eine vier Stunden andauernde interaktive Online-Demonstration, bei der 14 Kämpfe aus acht Ländern präsent waren.
Ein weiteres Highlight war eine Straßenblockade vor der deutschen Botschaft in Mexiko-Stadt. Bis zu 70 Menschen protestierten mit Fahrrädern, Musik und starken Redebeiträgen dagegen, dass die deutsche Bundesregierung sowohl durch eine rassistische Klimapolitik – gekennzeichnet etwa durch den späten Kohleausstieg – als auch durch die Unterstützung von deutschen Konzernen wie Volkswagen in Mexiko die Lebensgrundlagen der Bevölkerungen vor Ort mutwillig zerstört. Für einige Stunden zierte daraufhin ein schöner Spruch die weiße Wand der Deutschen Botschaft: „Lüthserath se keda“, also „Lützerath bleibt“.

Von MULT und MULTI – oder wie der Staat eine indigene Gruppe spaltete

Zurück zum Fall der Triquis, mit denen wir in einem Polizeikessel gelandet waren.
Insgesamt gibt es schätzungsweise 30.000 bis 40.000 Triquis, die im Westen des Bundesstaates Oaxaca ihre Territorien haben. Die Triquis haben eine lange Geschichte der Unterdrückung: Bereits vor der Kolonialisierung durch die Spanier*innen wurden sie erst von den Mixtek*innen und dann von den Aztek*innen ausgebeutet.
Dass eine Resolution nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 1973 ihr Territorium reduzierte, war der Auslöser für die Triquis, sich gezielt gemeinsam politisch zu organisieren. Morde, willkürliche Verhaftungen und Brandstiftungen waren damals ein gängiges Mittel von Polizei und Militär, um die Triquis einzuschüchtern. Im Jahr 1982 bildete sich die Organisation MULT (Movimiento de Unificación y Lucha Triqui, Bewegung für die Vereinigung und den Kampf der Triqui).
Da die MULT viel Zuspruch und Unterstützung der Bevölkerung erfuhr, versuchte die mexikanische Regierung ab 1994, mit der Organisation UBISORT (Unidad del Bienestar Social de la Región Triqui, Sozialamt der Region Triqui) die MULT zu schwächen und zu kriminalisieren. Als dies nicht gelang, änderte die Regierung ihre Strategie und begann, sich den Anführer*innen der MULT anzunähern. Durch das Versprechen von politischen, finanziellen und persönlichen Vorteilen wurde die Führung der MULT dazu gedrängt, immer weiter von ihren ursprünglichen Zielen abzuweichen und mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Finanzielle Mittel der Regierung wurden beispielsweise dazu genutzt, Waffen zu beschaffen, Grundstücke zu erwerben oder Auftragsmörder zu bezahlen.
Um sich ihre Möglichkeit zur echten Selbstverwaltung zurückzuholen, gründeten einige Triquis die MULTI als Gegenorganisation zur MULT, mit dem „I“ für Independiente, also unabhängig von der Regierung. Von insgesamt 32 Triqui-Dörfern gehören jedoch nur fünf Dörfer der MULTI an. Obwohl wir auf der Karawane auch viel mit den Triquis aus dem Dorf San Juan Copala Kontakt hatten und die Geschichten der Dörfer unweigerlich zusammenhängen, wird hier aus Platzgründen nur tiefer auf die Triquis aus Tierra Blanca Copala eingegangen.
Am 26. Dezember 2020 wurde der Compañero Andrés Martinez Lopéz aus Tierra Blanca Copala brutal ermordet und seine drei Kinder mit Schüssen verletzt. Die Tat wird der MULT zugerechnet und diente der Einschüchterung der lokalen MULTI-nahen Bevölkerung. Dies bildete den Auftakt der gewaltsamen Vertreibung von 144 Familien. Einige von ihnen sind in andere Bundesstaaten oder sogar die USA gegangen, um Arbeit und Obdach zu finden. Zu ihnen wird per Social Media Kontakt gehalten. Etwa 60 Triquis haben vor einem Jahr und fünf Monaten eine Straßenbesetzung vor dem größten Museum von Mexiko-Stadt aufgebaut: Dem Palacio de Bellas Artes. Dort forderten sie Gerechtigkeit für ihre politischen Gefangenen, die Verurteilung der Verantwortlichen für die Morde und vor allem eine sichere Rückkehr in ihre Territorien.

Freilassung der Triquis erst nach weiteren 24 Stunden

Wie sind die Triquis und wir wieder aus dem Polizeikessel herausgekommen? Erst mal gar nicht. Der Kessel wurde zwar erneut durchbrochen, jedoch führte dies zu einer regelrechten höchst chaotischen Hetzjagd durch das ganze Viertel, bei der zwischenzeitlich ein kleiner Junge verlorenging, ältere Menschen abgehängt und eine solidarische Studentin der Autonomen Universität UNAM brutal verprügelt wurde.
Nach viel Hin und Her ergaben sich drei Polizeikessel, von denen einer bald aufgelöst und der zweite nach langen Verhandlungen mit der Polizei mit dem dritten größten Kessel zusammengelegt wurde. Dort mussten etwa 30 Frauen und Kinder, bewacht von über 500 Polizist*innen, noch eine ganze Nacht und einen weiteren Tag unter freiem Himmel ausharren. Die Menschen aus der indigenen Gemeinschaft der Otomís, die ebenfalls einen wichtigen Platz in der Karawane für das Wasser und das Leben eingenommen hatten, konnten sich durch Verhandlungen nach einigen Stunden aus dem zweiten Kessel befreien. Auch wir deutschen Aktivistinnen aus Lützerath kamen kurz nach Mitternacht an den Punkt, an dem unsere Grenzen so weit überschritten waren, dass wir die Möglichkeit annahmen, durch den Presseausweis von befreundeten Journalist*innen den Kessel zu verlassen.
Viele unserer Compañerxs von der Karawane sind jedoch bis zum Schluss mit den Triquis im Kessel geblieben und haben sich dort zum Teil nachträglich freiwillig hineingeschmuggelt. Eine solidarische Mitgefangene der Karawane beschrieb die Situation so: „Diese Belagerung hat das Gesicht einer psychischen Folter.“
Die Stadt versuchte schamlos, den Triquis Deals anzubieten, wie z. B. dass sie mit Bussen abgeholt werden können oder dass sie freikommen, wenn sie unterschreiben, dass sie nie wieder auf den Straßen und Plätzen der Stadt eine Demonstration oder Besetzung machen dürfen. Selbstverständlich ließen sich die Triquis nicht auf diese erpresserischen Angebote ein, die sie ihrer Grundrechte berauben sollten.
Schlussendlich wurden alle Eingekesselten in einer erneuten Hetzjagd unter massivem Polizeiaufgebot durch die Straßen getrieben, bis zu einem Ort, den die Triquis als selbstgewählten sicheren Ort angegeben hatten.
In den folgenden Tagen veranstalteten die Triquis weitere Pressekonferenzen, Demonstrationen und Blockaden. Dadurch erwirkten sie schließlich ein Treffen mit dem Gouverneur des Bundesstaats Oaxaca, welches ergab, dass die ganze Gemeinde am Montag, dem 16. Mai sicher zurück nach Tierra Blanca de Copala kehren sollte. Die Reaktion einer der Sprecherinnen der Triquis darauf war: „Wir trauen der Regierung nicht. Aber wir geben ihnen einen Vertrauensvorschuss, damit sie das Versprechen der Rückkehr einhalten können.“

Compañerxs der Karawane, darunter eine Triqui-Frau, verleihen ihrem Protest auf dem Haupteingang zur Nationalen Wasserbehörde “ConAgua” Ausdruck (5. April 2022, Mexiko-Stadt) – Foto: Jana Bauch
Internationalistische Vernetzung in der Praxis – ein Versuch

Wir als deutsche Delegation haben uns vor, während und nach der Karawane fortlaufend selbstkritisch mit Rassismus und kolonialen Kontinuitäten auseinandergesetzt. Wir haben alle individuell immer wieder unterschiedliche Positionen eingenommen, im Spannungsfeld zwischen „Bloß nicht einmischen, um nicht neokolonial zu handeln“ und „Irgendwie müssen wir auch Verantwortung übernehmen, auch wenn es Schwierigkeiten mit sich bringt“.
Dass wir dabei Fehler machen, ist zwar vorprogrammiert, aber keine Entschuldigung. Fest steht für uns, dass wir unglaublich dankbar sind für alles, was wir lernen durften, und für die enorme Inspiration und Kraft, die uns durch Begegnungen mit den Compañerxs geschenkt wurde. Gleichzeitig möchten wir indigenen Widerstand genauso differenziert betrachten wie unseren eigenen auch. Wir möchten nicht idealisieren, sondern gut zuhören und beobachten.
In den Wochen nach der Karawane haben wir uns als Delegation aufgeteilt, um durch Besuche und gemeinsame Aktionen die Verbindungen zu Gruppen und Einzelpersonen der Karawane und darüber hinaus weiter zu festigen.
Zurück in Deutschland machen wir uns an die Nachbereitung der Reise. Wir wollen unsere Erfahrungen und was wir gelernt haben teilen und veröffentlichen. Gerne nehmen wir Anfragen für Vorträge oder andere Veranstaltungen entgegen. Darüber hinaus vernetzen wir uns mit anderen Akteur*innen wie der Recherche-AG, um eine Kampagne für 2022/23 zu planen. Sie soll Kräfte bündeln, mehr Sichtbarkeit generieren und dadurch gezielt Druck erzeugen auf die großen westlichen transnationalen Unternehmen. Außerdem wird es vor dem G7-Gipfel eine Mobilisierungstour oder, in anderen Worten, eine Karawane durch Europa geben, bei der Gäste aus Widerstandsbewegungen von Mexiko bis Palästina eingeladen sind.

(1) In „Slumil K´ajxemk´op“ („rebellisches Land“ in der Sprache Tzotzil) benannte die zapatistische Delegation den europäischen Kontinent bei ihrer Ankunft im Herbst 2021 um.

Weitere Infos auf Twitter unter @MULTI_Oficial1 und @TodxsCaravana und auf luetzerathlebt.info/karawane

Video des Polizeikessels in Mexiko-Stadt:
https://vimeo.com/705613669

 

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.