Jean Peters: Wenn die Hoffnung stirbt, geht's trotzdem weiter. Geschichten aus dem subversiven Widerstand, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021, 256 Seiten, 21,00 Euro, ISBN 978-3-10-397087-6
„Und während mein pessimistisches Ich uns freundlich daran erinnert, dass Hoffnung der erste Schritt auf der Straße der Enttäuschung ist, sucht mein optimistisches Ich nach neuen Trampelpfaden.“
Ich habe noch nie ein Buch gelesen, bei dem ich so oft dachte: Diesen Satz musst du zitieren in deiner Rezension! wie bei Jean Peters „Wenn die Hoffnung stirbt, geht‘s trotzdem weiter“. Ein charmanter Ausflug in die Welt(en) des Peng-Kollektivs mit zahlreichen sehr unterschiedlichen Aktionsbeispielen und einer angenehm selbstkritischen Betrachtung, die insgesamt vor allem eines erreichen möchte: Menschen Mut machen, sich zu trauen, sich auszuprobieren, an sich zu glauben. Aber eben nicht abstrakt, vage, wohlklingend anhand billiger pseudo-tiefgründiger Postkartensprüche oder Mondphasen, wie wir es andernorts so viel vorfinden, sondern verknüpft mit fundierter Recherche und Herrschaftskritik.
„Menschen die Flucht nach Europa ermöglichen. In Robin-Hood-Manier zum Diebstahl in ausbeuterischen Supermärkten aufrufen. Den gewieftesten aller Kohlelobbyisten in eine Falle locken. Das alles geht, wenn wir es wollen.“ Und wie genau das geht, erzählt Jean Peters dann auf den folgenden 200 Seiten. Dabei hängt er jedoch nicht beliebig Aktionsanekdoten hintereinander, sondern nutzt die Beispiele, um anhand konkreter Erfahrungen abstrakte Debatten zu veranschaulichen. So ist ein Kapitel, in dem es um einen Tortenwurf auf von Storch geht, gleichzeitig auch die Überleitung zu Gedanken über Gewalt und Militanz. Überzeugend legt Peters dar, dass es bei der Wahl der Mittel immer auf den Kontext ankomme, in dem wir agieren. Er nimmt Bezug auf die Kämpfe der Suffragetten und räumt selbstkritisch ein, der Frage in letzter Konsequenz selbst etwas auszuweichen. Seine persönliche Schlussfolgerung ist ein Plädoyer, es, solange irgend möglich, kreativ und unkonventionell zu versuchen, Ungerechtigkeiten zu bekämpfen.
Peters beschreibt die Zeit, in der wir leben, als „Ära des großen Zweifels“, in der Wahrheit und Ehrlichkeit zu irrelevanten Kategorien wurden. Selbstkritisch und phasenweise mit starkem Hang zur Hoffnungslosigkeit, zur desillusionierten Resignation, betrachtet Peters sich als Rampensau und Peng als Unterhaltungsprogramm. Treffend beschreibt er die Verlockung der Illusion eines simpleren, abgelenkten, sich nicht subversiv einmischenden Lebens:
„Es ist verführerisch, jetzt das unangenehme Gefühl von Ohnmacht zur Seite zu legen und sich den Dingen zu widmen, bei denen man Einfluss haben kann. Der Familie, den Freund_innen, der Mülltrennung, die immer so gut funktioniert und einem ein Gefühl von Ruhe und Anstand gibt.“
„Wenn man sich bewusst wird, wie fatal die Situation für unsere Demokratie ist, wie auch Anwält_innen und Journalist_innen schon längst massenhaft abgehört werden, wie jedes Jahr aufs Neue Zivilist_innen von Drohnen aus der Wüste in Nevada abgeschossen werden, als spielten die Soldat_innen ein Computerspiel, wenn man die Verflechtungen zwischen Verfassungsschutz und dem Nationalsozialistischen Untergrund nachzeichnet, dann will man am liebsten schnell TikTok einschalten und ein lustiges Pinguin-Video anschauen.“
Doch das Buch findet immer wieder den Dreh zurück zur Aktion, zum Sich-Wehren. Hergeleitet beispielsweise aus der simplen Feststellung, dass es naheliegend sei, dort sozialökologische Kämpfe zu führen, wo wir den Raum dazu noch haben.
„Mich treibt dabei nicht nur eine vage Utopie einer sozialen und ökologischen Gesellschaft an, sondern auch die Negation der jetzigen“, schreibt Peters. Dass diese Negation des Bestehenden auch etwas Kraftgebendes sein kann, hat mir sehr gefallen, weshalb ich dieses Zitat verbunden mit einer expliziten Leseempfehlung an den Schluss meiner Besprechung stelle:
„Etwas nicht zu wollen, etwas abzulehnen, gibt mir Schwung. Tun Sie mir also den Gefallen, vergessen Sie für einen Moment die täglichen Wohlfühl-Erzählungen über die Kraft des positiven Denkens. Ein gepflegtes Fuck-off kann an der richtigen Stelle sehr beflügelnd wirken.“